Elektrisierendes Automobil im maßgeschneiderten Anzug

Wie Audi einzigartige Tarnkleider für Prototypen entwirft.

24.08.2023 Lesezeit: 3 min

Designer Marco dos Santos beim Layout der Klebefolien

Mehr als 20 Prototypen und Unikate hat Audi bereits in einzigartige Folierungen gehüllt – so auch den Audi Q6 e-tron Prototyp. Designer Marco dos Santos gewährt exklusive Einblicke, wie das expressive Design entsteht und welche Philosophie dahintersteckt.

Der Stift in der Hand von Marco dos Santos gleitet über das Papier – großflächige Grafiken in Gloss Fierce Fuchsia, ein lilafarbener Ton, treffen auf detailreiche Netz- und Streifengrafiken in Silber. Es ist Frühling in Ingolstadt, als auf dem Blatt Papier die ersten Ideen für die Folierung des Audi Q6 e-tron Prototyps entstehen. Marco dos Santos, der bei Audi das Design Branding verantwortet, blickt über den Rand seiner fliederfarben getönten Sonnenbrille, im Hintergrund läuft ein Podcast. „Beim Zeichnen brauche ich eine gewisse Geräuschkulisse. Manchmal ist es einfacher seine Ideen festzuhalten, wenn das Gehirn gerade mit etwas ganz anderem beschäftigt ist.“ Dann, sagt der Designer, bewege sich der Stift in seiner Hand wie von selbst.

Prototypen und Unikate von Audi im Maßanzug

Marco dos Santos schneidet Klebefolie aus

Prototypen und Unikate von Audi im Maßanzug

Seit 2018 erhalten Prototypen und Unikate von Audi individuelle Folierungen. Im sogenannten Livery Design präsentierten die Vier Ringe zuletzt auch den S1 Hoonitron und das Showcar zur Formel 1. Jedes Modell kleidet dos Santos sozusagen mit einem maßgeschneiderten Anzug ein. „Es gibt ihn auf der Welt nur einmal, nur für exakt dieses Modell“, sagt der Designer, der eine gestiegene Erwartungshaltung an das Design von Autos feststellt. „Unsere Ansprüche in puncto Design sind enorm gestiegen, seitdem wir alle permanent Hochleistungskameras in der Tasche haben. Ästhetik ist ein elementarer Bestandteil unseres Alltags geworden und das schlägt sich natürlich auch nieder auf die Wahl der Dinge, die wir jeden Tag nutzen und mit denen wir uns umgeben.“

Marco dos Santos schneidet Klebefolie aus

Folierung betont Schlüsselelemente der Fahrzeugarchitektur

Marco dos Santos blickt auf Layouts und Folien auf der Kühlerhaube des Prototypen

Folierung betont Schlüsselelemente der Fahrzeugarchitektur

Formen und Farben der Folierung sollen die Schlüsselelemente der Fahrzeugarchitektur betonen. Beim Audi Q6 e-tron etwa ist der untere Schweller vom Body weiß abgesetzt. „Durch die Folierung schaffen wir bei einem Prototyp Möglichkeiten, über das Design zu sprechen, das eigentlich größtenteils noch geheim ist“, erklärt dos Santos. „Wir können uns auf der einen Seite noch vage halten, bestimmte Dinge hingegen bereits bewusst konkretisieren. „Technologie und Design sind eng miteinander verflochten. Die Technologie wird immer leistungsfähiger und präziser und das wird am Beispiel des Q6 e-tron auch in der Gestaltung, der Wahl der Materialien und der Erzählweise der Geschichte, deutlich.“

Marco dos Santos blickt auf Layouts und Folien auf der Kühlerhaube des Prototypen

Inspiration kann in den verrücktesten Objekten stecken“

Marco dos Santos, Designer

Die Ideen gehen dos Santos dabei nicht aus, inspirieren lässt er sich auch von alltäglichen Gegenständen. „Egal ob Mode, Kunst, Robotik oder die Keramikkachel in der Küche eines Bekannten: Inspiration zum Umgang mit Farben, Materialien oder Grafik kann in den verrücktesten Objekten stecken“, sagt er. „Und ich denke, dass es auch wichtig ist, sie dort zu suchen, anstatt nur bereits existierende Livery Designs zu studieren.“

Designer_innen stimmen Folierung auf Auto ab

Zu Beginn des Designprozesses entscheidet er gemeinsam mit seinen Kolleg_innen aus dem Exterieur Design, welche Stellen der Karosserie besonders betont werden sollen. Dos Santos: „Bei einem Maßanzug sind das beispielsweise die Taillierung oder die Schultern. Und auch bei einem Fahrzeug geht es um die Muskulatur und die prägnante Schulterlinie. Nur wenn alles perfekt auf die Person – oder eben das Auto – abgestimmt ist, sitzt ein Maßanzug perfekt.“

Mitarbeiter bringt Klebefolie auf der Fahrzeugtür an

Der Moment der Wahrheit im Designprozess

Nach vielen händischen Skizzen gelangt die Vision von dos Santos schließlich mittels einer Bild- und Grafiksoftware ans Fahrzeug. Bei der Folierung, die mehrere Tage dauert, ist höchste Präzision gefragt. Der gebürtige Münchener hält sich dabei vornehm zurück: „Ich bin leider total ungeschickt und beobachte diesen Teil der Arbeit immer mit genügend Sicherheitsabstand.“ Die Folierung sei der Moment der Wahrheit. „Denn vormals geometrisch gerade Linien werden beim Übertragen auf eine Karosserie mit ihren gewölbten Flächen schnell krumm, schief oder überspannt.“ In diesem Stadium der Arbeit werde „viel verworfen, neu gedacht und nochmals neu entworfen“. Bis alles hundertprozentig passt, aus jedem Winkel.

 

Seinen persönlichen Lieblingsmoment im Designprozess erlebt dos Santos, wenn seine Vision Gestalt annimmt. Wenn die Striche auf dem Blatt auf das Fahrzeug übertragen werden. Wenn er spürt, dass seine Idee aufgeht. Und wenn der Maßanzug perfekt sitzt.

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