KI in der Audi Produktion: „Ein perfektes Anwendungsfeld“
Als einer der ersten Automobilhersteller nutzt Audi Künstliche Intelligenz (KI) in der Produktion. Die KI-Experten Rüdiger Eck und Stefan Keckl berichten, wie Audi die Technik einsetzt und warum Menschen auch in der Fabrik der Zukunft unentbehrlich sind.
Rüdiger Eck und Stefan Keckl im Gespräch
Herr Eck, Herr Keckl, was ist Künstliche Intelligenz?
Rüdiger Eck: Künstliche Intelligenz hört sich an, als würde der Computer menschliche Intelligenz nachahmen. In der Regel bedeutet KI heute in Wirklichkeit aber, dass sehr schnell eine statistische Bewertung abläuft, die auf der Grundlage von Daten Entscheidungen trifft.
Stefan Keckl: Wenn wir heute KI-Algorithmen trainieren, dann wählt ein Mensch die Daten aus und bestimmt, was die KI lernt. Wir können daher jederzeit transparent zeigen, wie die KI erstellt wurde.
Wie groß ist das Potenzial von KI in der Autoproduktion?
Eck: In der Produktion arbeiten besonders viele Menschen und Maschinen am Produkt zusammen. Die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Schritten entlang der Prozesskette sind sehr komplex. Zeitgleich entstehen dabei extrem viele hochwertige und strukturierte Daten. Das macht die Produktion zu einem perfekten Anwendungsfeld für KI. Sie kann die Abläufe für alle Beteiligten vereinfachen und automatisieren, die Produktqualität sicherstellen und die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Man geht heute davon aus, dass die Digitalisierung insgesamt die Fabrikkosten um bis zu 30 Prozent senken kann. Dazu wird KI entscheidend beitragen.
Keckl: Außerdem haben wir mit KI die Möglichkeit, unsere Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten und noch gezielter zu steuern. Wir wollen die Produktion Tag für Tag besser machen und KI ist ein perfektes Werkzeug dafür.
Wo setzt Audi heute bereits KI in der Produktion ein?
Keckl: Derzeit haben wir bei Audi konkret zwei Anwendungsfälle für Künstliche Intelligenz in der Produktion. Einer ist im Karosseriebau am Standort Neckarsulm, wo eine KI die Qualität von Schweißpunkten überwacht. Sie kann aus den Daten der Schweißmaschine schließen, ob ein bestimmter Schweißpunkt in Ordnung ist oder nicht. Im Ergebnis müssen die Audianer_innen nicht mehr jeden einzelnen Schweißpunkt selbst prüfen, sondern nur noch die auffälligen Schweißpunkte.
Eck: Der andere Anwendungsfall ist im Ingolstädter Presswerk. Dort erkennt die KI anhand von Bildern eines Pressteils, ob ein Riss vorhanden ist. Heute tut sie das unterstützend, indem sie dem Menschen eine Vorauswahl kritischer Teile zeigt; in Zukunft wird die KI dann selbstständig entscheiden. Das hat zwei Vorteile: Zum einen, dass der Schritt automatisiert ist, und zum anderen unterstützt die KI hier das menschliche Auge.
Wenn KI in der Produktion schon heute Prozesse automatisiert und teilweise genauer arbeitet als der Mensch – sind Zukunftsszenarien von menschenleeren Werkhallen dann nicht doch realistisch?
Eck: Klare Antwort: Nein. Zum Beispiel lassen sich insbesondere Montagearbeiten in der Automobilproduktion am allerwenigsten durch KI ersetzen. Diese Aufgaben sind eine komplexe Mischung aus kognitiver Leistung, physischer Bewegung und Sensorik. Das darf man nicht unterschätzen und darin ist der Mensch deutlich besser als ein Roboter. Die KI kann dagegen Dinge übernehmen, in denen der Mensch nicht so gut ist, wie die Analyse großer Datenmengen oder repetitive Arbeit.
Keckl: Um die Kolleg_innen beim Thema KI abzuholen und ihnen solche Sorgen zu nehmen, kommt es vor allem darauf an, KI und ihre Vorteile zu erklären. Wenn dieses Wissen nicht da ist, kommt es schnell zu einer Abwehrhaltung, weil das Thema so abstrakt bleibt.
Und in welchen Bereichen wird KI in der Audi Produktion zukünftig eingesetzt werden?
Eck: Es gibt vor allem vier Bereiche, in denen KI ihr Potenzial voll ausschöpfen kann. Erstens kann sie die Qualität von Produkten verbessern, indem sie warnt, wenn ein Fehler passiert. Zweitens kann sie dem Menschen Arbeiten abnehmen, die repetitiv und nicht wertschöpfend sind, und damit Fehler vermeiden. Drittens kann KI Prozesse optimieren, indem sie Zusammenhänge aufdeckt, die der Mensch nicht erkennt. Somit sinken die Kosten, weil die Effizienz steigt. Und zu guter Letzt kann KI häufig dabei helfen, die Ausbringung beziehungsweise Leistung von Prozessen oder Maschinen zu steigern.
Wird es also eine Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI geben?
Eck: Uns geht es darum, dass die KI den Menschen assistiert. So wie wir im Auto verschiedene Assistenten haben, die uns warnen und zur Unfallvermeidung beitragen. Wir alle treffen viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus, aber wissen dann nicht, ob diese überhaupt richtig und nachhaltig waren oder sind. Hier kann uns KI helfen, richtige Entscheidungen zu treffen, und auch danach beim Erkennen von Fehlern. Der Mensch wird immer Fehler machen, aber sie werden zukünftig dank Künstlicher Intelligenz sofort auffallen.
Keckl: Wir arbeiten bereits an Lösungen, damit Endanwender_innen selbst kleine KI-Lösungen bauen können. Wir wollen Mitarbeitenden damit ermöglichen, sich im Team selbst zu organisieren. Sie können sich sicher sein, dass auftretende Fehler von der KI entdeckt werden, und sich auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren. Dann macht KI richtig Spaß, weil sie den Menschen im System ihre Autarkie lässt.
Wie viele Personen arbeiten bei Audi an KI in der Produktion?
Eck: Aktuell arbeiten bei Audi rund 60 datenaffine Menschen an KI in der Produktion. Etwa ein Dutzend von ihnen beschäftigt sich mit Machine Learning und Data Science.
Keckl: Wir haben auch viele Quereinsteiger_innen im Team, die viel Herzblut und Verständnis für Abläufe in der Produktion mitbringen. Die bilden sich im Bereich KI weiter und das funktioniert richtig gut.
Eck: Wir sind aktuell diejenigen, die KI-Systeme für die Produktion entwickeln. Damit KI ihr volles Potenzial entfalten kann, müssen wir uns aber im ganzen Unternehmen darauf einlassen, Entscheidungen auf Grundlage von Daten zu treffen. Wir müssen und wollen ein datengetriebenes Unternehmen werden.